DIE ALTE SCHULE IN WOLLSEIFEN
DAS DORF DER ERINNERUNGEN


Die Geschichte Wollseifens lässt sich nicht ohne den Blick hinüber zur ehemaligen NS Ordensburg Vogelsang hoch über dem Urft-Stausee verstehen. Gebaut wurde sie 1934-36 nach Entwürfen von Clemens Klotz, von dem auch der viereinhalb Kilometer lange, nie vollendete NS-Gebäudekomplex in Prora auf Rügen stammt. Doch während Prora als gigantisches "Kraft durch Freude"-Ferienheim gedacht war, sollte Vogelsang NSDAP Führungskader hervorbringen. Keiner der hier geschulten "Junker" schloss die dreieinhalbjährige Indoktrination allerdings regulär ab – der Kriegseinsatz im September 1939 hatte für alle Vorrang. In die Burg zogen stattdessen Wehrmachtssoldaten und Internatsschüler ein, bevor sie 1945 in die Hände der Alliierten fiel.
Räumung und Zerstörung
Franz-Josef Sistig, der bis zu seinem Tod Anfang 2016 in Sachen Wollseifen ein vielgehörter Zeitzeuge war, ließ nie einen Zweifel: Die Ordensburg markierte für das Dorf seiner Kindheit den Anfang vom Ende. Im Zweiten Weltkrieg rückten Burg und Talsperre ins Visier der Alliierten, deren Luftangriffe auch in Wollseifen viele Opfer forderten. Als die Front im Januar 1945 immer näher rückte, mussten die damals gut 500 Dorfbewohner den Ort sogar räumen, kehrten nach Kriegsende aber zurück, um ihre Häuser zu reparieren und ihre Felder zu bestellen. Keiner ahnte, dass bereits ein neues Verhängnis über dem Dorf schwebte – bis die Briten, die Vogelsang und Umgebung als ideal für einen Truppenübungsplatz betrachteten, die Einwohner Wollseifens am 13. August 1946 ultimativ aufforderten, ihre Heimat innerhalb von drei Wochen zu verlassen.


Schule als Zeitzeuge
Materielle Ansprüche gegenüber der Bundesrepublik ließen sich für die zumeist in Nachbargemeinden untergekommenen Dorfbewohner nur in geringem Maße durchsetzen. Die heimatlichen Traditionen wie das alljährliche Rochusfest pflegten sie und ihre Nachkommen aber weiter, auch wenn es sechzig Jahre dauern sollte, bis durch die Schließung des Truppenübungsplatzes die Erinnerung endlich wieder nach Wollseifen selbst zurückkommen konnte. Schon 2008 wurde die Rochus-Kirche mithilfe der NRW-Stiftung vom Schutt befreit und als Gedenkstätte saniert. Zudem setzte sich der "Traditions- und Förderverein Wollseifen" dafür ein, auch das alte Schulgebäude neu zu nutzen. Im Anschluss an die ebenfalls von der NRW-Stiftung geförderte Sanierung des Hauses, dessen Obergeschoss wegen des Beschusses heute fehlt, zog hier eine barrierefrei zugängliche Ausstellung ein. Wandtafeln und Schaupulte erläutern Wollseifens Schicksale in Text und Bild, gestützt nicht zuletzt auf Fotos aus der Sammlung Sistig. Das Forum "Vogelsang IP", das im Herbst 2016 selbst seine Neueröffnung feierte, unterstützte das Projekt. Die Verwaltung des Nationalparks Eifel wird es künftig in ihre Öffentlichkeitsarbeit mit einbeziehen.
Text: Ralf J. Günther | Fotos: Werner Stapelfeldt

Geflügelte Hausbewohner
Die Kulissenhäuser in Wollseifen waren nie für menschliche Bewohner gedacht. Nach dem Ende der militärischen Nutzung wurde die Forderung nach dem Abriss der Rohbauten laut, während andere in ihnen erhaltenswerte Mahnmale sahen. Von den ursprünglich 52 Gebäuden ließ man schließlich 21 stehen – nicht zuletzt im Interesse von Bewohnern, die andere Ansprüche an Wohnkomfort haben als Menschen. Gemeint sind Fledermäuse, die in den Häusern Unterschlupf finden. Auch in der alten Schule wurde der Dachbereich bei der Sanierung so gestaltet, dass die Tiere ein- und ausfliegen können. Eine eigens installierte Holzdecke bietet ihnen die Möglichkeit, Winterquartiere und Wochenstuben zu beziehen.Stand der Angaben: 2016 / Nr. 2
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