PFLEGEMUSEUM KAISERSWERTH
DIE KULTUR DER PFLEGE UND DIE PFLEGE DER KULTUR


Kaiserswerth – heute ein Stadtteil von Düsseldorf – lockt mit vielen Sehenswürdigkeiten. Besonders eindrucksvoll ist die Ruine einer mächtigen Pfalzanlage aus der Epoche Kaiser Friedrich Barbarossas. Auch die Basilika St. Suitbertus zählt zu den herausragenden mittelalterlichen Sehenswürdigkeiten am Rhein. Das gründerzeitliche Backsteinensemble der Kaiserswerther Diakonie stammt zwar aus nicht ganz so ferner Vergangenheit, hat mit seiner eindrucksvollen Architektur aber schon oft als Film- und Fernseh kulisse gedient – etwa für Thriller wie "Die Frau des Sizilianers" oder für Actionserien wie "Alarm für Cobra 11". Unter Denkmalschutz stehen die Gebäude aber nicht wegen ihrer TV-Tauglichkeit, sondern als Zeugen eines tiefgreifenden Wandels in der Kultur des Helfens.


Florence Nightingale am Rhein
Das Wort Diakonie bedeutet Dienst. Als Dienerinnen Gottes und ihrer Mitmenschen sollten die Diakonissen leben und arbeiten. Eine besondere Berufstracht unterstrich ihren Status, darf allerdings nicht zu dem Missverständnis verleiten, die Trägerinnen seien Angehörige eines Ordens. Binnen weniger Jahrzehnte fassten die Diakonissen in vielen Teilen der Welt Fuß, so zum Beispiel in Istanbul, in Jerusalem oder Beirut. Theodor Fliedner unterstützte die Ausbreitung seiner Idee selbst durch lange Auslandsreisen, die ihn bis nach Amerika führten. Eine Fürsprecherin fand das Kaiserswerther Modell zudem in Florence Nightingale, der wohl berühmtesten Wegbereiterin der modernen Krankenbetreuung. Als noch unbekannte 21-jährige Frau wurde sie 1851 mehrere Monate lang in Kaiserswerth ausgebildet. Die wenige Jahre später wegen ihres humanitären Einsatzes im Krimkrieg wie eine Heldin gefeierte Britin widmete der Fliedner´schen "Intitution of Kaiserswerth" sogar eine eigene Veröffentlichung.
Auf dem Gelände der Kaiserswerther Diakonie steht heute das Florence-Nightingale-Krankenhaus, zu dessen Grundsteinlegung im Jahr 1970 Prinzessin Anne, die Tochter von Queen Elizabeth II., persönlich anreiste. Angesichts solcher und vieler anderer historischer Verflechtungen gibt es also viele Gründe, um die Geschichte der Diakonie im neuen Pflegemuseum der Fliedner-Kulturstiftung näher zu beleuchten. Schon das Gebäude, in dem die Ausstellung untergebracht ist, erzählt von der Vergangenheit. Das "Haus Tabea" diente früher als Schwesternkrankenhaus. Hier konnten diejenigen Frauen selbst gesunden, die ansonsten stets für die Gesundheit anderer da waren. Benannt ist das Haus nach einer Jüngerin Jesu, von der es im Neuen Testament heißt, sie habe zahlreiche gute Werke getan.
Informatives Fragezeichen


Doch jede Hilfeleistung ist zuletzt immer auch eine Frage des konkreten Handelns. Über ein Schild mit der Aufschrift "Bitte anfassen" sollte man sich in einem Pflegemuseum daher nicht wundern. Es verweist auf eine lebensgroße, moderne Übungspuppe, an der sich viele Handgriffe aus dem pflegerischen Alltag demonstrieren und einstudieren lassen. Die historische Dimension praktischer Krankenhilfe verdeutlichen hingegen diverse alte Hygieneapparaturen – über deren Sinn und Zweck man sich ohne die mitgelieferten Erläuterungen bisweilen kaum schlüssig werden könnte.
Unverzichtbar für NRW
Die Keimzelle der Fliedner´schen Diakonissenanstalt lag am Markt der Stadt Kaiserswerth. Hier steht immer noch das einstige Stammhaus, das inzwischen als Altenheim dient. Ab 1881 verlagerte die Anstalt ihre Einrichtungen jedoch auf das heutige Gelände, damals noch vor den Toren von Kaiserswerth. Theodor Fliedner selbst hat den Neuanfang seiner Gründung, die mit ihrem wachsenden Flächenbedarf auch ihren wachsenden Erfolg unterstrich, nicht mehr erlebt. Die Umzugsplanungen nahm sein Schwiegersohn Julius Disselhoff in Angriff. Wie schon Friederike Fliedner, die 1842 bei der Geburt ihres zehnten Kindes gestorben war, hatte überdies auch Theodor Fliedners zweite Ehefrau Caroline entscheidenden Anteil an den Kaiserswerther Projekten. Weit über den Tod ihres Mannes hinaus amtierte sie bis 1883 als Vorsteherin der Diakonissen.
Bereits im 19. Jahrhundert war die Kaiserswerther Diakonie eine komplexe Organisation mit Erholungsheimen, einem Waisenhaus und einer Buchhandlung. Heutzutage beschäftigt das christlich orientierte Unternehmen fast 2.400 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in unterschiedlichsten Bereichen. Dazu zählt auch eine Werkstatt für Paramentik, das heißt kirchliche Textilien. Pflege und Hilfe bilden immer noch den Schwerpunkt der Arbeit: Allein das Florence-Nightingale-Krankenhaus unterhält elf Fachkliniken. Daneben gibt es Kindertagesstätten und Altenzentren sowie Angebote im Bereich der Familienhilfe und Jugendbetreuung. Sogar eine eigene Fachhochschule existiert seit 2011.



Der Kranke im Kuhstall
Theodor Fliedners Leben verlief in ungewöhnlichen Bahnen. Schon im Alter von 20 Jahren hatte er sein Studium abgeschlossen, wurde mit 22 Jahren Pfarrer und verbrachte die folgenden Jahrzehnte in unermüdlicher Tätigkeit. Er war nicht nur der Vater des Diakonissenwesens, sondern auch ein Pionier der Gefangenenhilfe, der 1826 die Rheinisch-Westfälische Gefängnisgesellschaft gründete. Doch der Mann, der so viel für andere Menschen in Notlagen getan hatte, geriet Ende der 1840er-Jahre durch ein Lungenleiden selbst in schwerste gesundheitliche Bedrängnis. Der Arzt schlug ihm 1856 vor, den Winter für eine Reise ins klimatisch heilsame Ägypten zu nutzen. Diesem Aufenthalt am Nil verdankt die Fliedner-Kulturstiftung heute eine kleine ägyptische Sammlung inklusive einer über 2.000 Jahre alten Mumie. Fliedner spie jedoch in Ägypten mehrfach Blut und kehrte gesundheitlich schwer angeschlagen zurück. Auf ärztliches Anraten verbrachte er die Winternächte in einem Kuhstall, dessen Raumklima lindernde Wirkung auf die Atmungsorgane haben sollte. Auf älteren Abbildungen sieht man sogar ein Arbeitszimmer, das sich zu einem Kuhstall hin öffnet. Doch alle Hoffnung auf Besserung blieb vergeblich. Theodor Fliedner starb 1864 im Alter von nur 64 Jahren.Stand der Angaben: Stiftungsmagazin 1/2012
Kommentare
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25.02.2014, solveig kukelies
ich bin doch sehr erstaunt, das ich dieses museum noch nicht kannte. im januar 2014 wurde ich zu einer besichtigung mit führung eingeladen und bin total begeistert. man kann dieses sehr gepflegte und übersichtliche museum wirklich bestens weiterempfehlen. allerdings sollte man viel zeit mitbringen und sich auf jeden fall vorher anmelden.
ich bin doch sehr erstaunt, das ich dieses museum noch nicht kannte. im januar 2014 wurde ich zu einer besichtigung mit führung eingeladen und bin total begeistert. man kann dieses sehr gepflegte und übersichtliche museum wirklich bestens weiterempfehlen. allerdings sollte man viel zeit mitbringen und sich auf jeden fall vorher anmelden.
