MEHR ALS 750 JAHRE ALTENBERGER DOM
DIE BERGISCHE SIMULTANKIRCHE
Wer heutzutage einen Ausflug auf den Drachenfels im Siebengebirge bei Königswinter macht, denkt selten daran, dass er eigentlich auf einem Steinbruch umherläuft. Doch schon die Römer erkannten, dass sich der Drachenfels-Trachyt hervorragend zum Bauen eignet. Im Mittelalter verwendete man ihn gern für große Kirchen, allen voran für den 1248 begonnenen Kölner Dom. Aber auch die Kirche St. Mariä Himmel fahrt im Bergischen Land, die wir heute meist den "Altenberger Dom" nennen, besteht aus Trachyt vom Drachenfels.
LICHT ALS ARCHITEKTUR
Das meiste Baumaterial gelangte auf dem Wasserweg nach Altenberg – über den Rhein und das früher in ihn mündende Flüsschen Dhünn, in dessen Tal der Altenberger Dom seit 1259 entstand. Hier brachten die Steinmetze die Trachytblöcke in die richtige Form für Bögen, Säulen oder Gewölbe. Hebevorrichtungen und Baukräne halfen ihnen beim allmählichen Auftürmen des majestätischen Bauwerks – Hilfsmittel, die zwar allesamt mit Muskelkraft betrieben werden mussten, die es aber in Form großer Treträder einem einzelnen Mann durchaus erlaubten, Lasten von mehreren Hundert Kilo emporzuhieven.
Gebaut wurde der Altenberger Dom im Stil der Gotik. Paradoxerweise denken heute viele Menschen bei dem Wort "gotisch" vor allem an düstere Gewölbe – passend zur Vorstellung vom "finsteren" Mittelalter. Doch in Wirklichkeit war das ganze Bestreben der Gotik auf eine möglichst transparente Bauweise gerichtet. Erstmals in der abendländischen Geschichte gelang es, Glasfenster von einer Größe zu konstruieren, die schimmerndes Licht zu einem wesentlichen Element der Architektur machten. Die Westfassade des Altenberger Domes ist sogar durch eine der größten Fensterflächen des Mittelalters geschmückt.
Doch auch architektonische Kostbarkeiten können verfallen. Als zu Beginn des 19. Jahrhunderts die meisten Klöster aufgehoben wurden, brach für Altenberg eine
Zeit höchst profaner Nutzungen an. In die Klostergebäude zog jetzt eine chemische Fabrik ein, die "Berliner Blau" herstellte – einen Farbstoff. Dabei kam es 1815 zu einem verheerenden Brand, der auch die Kirche in Mitleidenschaft zog und einen jahrelangen baulichen Niedergang mit mehreren Teileinstürzen einleitete. Schließlich kaufte Graf Fürstenberg von Stammheim 1833 die Ruine und überließ sie dem für das Mittelalter begeisterten preußischen König Friedrich Wilhelm IV.
SIMULTANGEBRAUCH
Der "Romantiker auf dem Thron" setzte sich für den Wiederaufbau des Altenberger Doms ebenso sehr ein wie für die wenige Jahre später begonnene Vollendung des
Kölner Doms. Katholisch war der Monarch aus dem Hause Hohenzollern allerdings nicht. Schon in den 1830er-Jahren forderte er denn auch, den Altenberger Dom künftig nicht mehr allein den Katholiken vorzubehalten. Und 1856 erging schließlich sogar eine königliche Order, wonach die Kirche fortan für den "völligen Simultangebrauch" und damit auch für evangelische Gottesdienste geöffnet werden solle.
Um die Wahrheit zu sagen: Das königlich dekretierte Miteinander der Glaubensbekenntnisse verlief in Altenberg nicht immer harmonisch. Noch in den 1950er-Jahren waren die Konflikte teilweise so heftig, dass man darüber sogar im Ausland berichtete. Eine Schweizer Zeitung fragte 1957 beispielsweise: "Wie soll man aber Verständnis dafür aufbringen, wenn sich die Küster der beiden Gemeinden mit handgreiflichen Mitteln daran hinderten, die Glocken zu läuten; wenn man sich gegenseitig die brennenden Kerzen auslöschte; wenn die kirchlichen Ankündigungen über Nacht beschädigt und entfernt wurden." Doch es kommt nicht auf die Konflikte an, sondern auf ihre Überwindung. Die ehemalige Klosterkirche im Bergischen Land kann auf ihre nunmehr 150 Jahre doppelter Nutzung schon allein deshalb stolz sein, weil sie zu jenen "echten" Simultankirchen gehört, die nicht durch eine Mauer in einen katholischen und einen evangelischen Teil gespalten sind. Eine so strikte Trennung mag zwar Reibungsflächen verringern, aber sie verringert auch das Miteinander – oder wie es der evangelische Bischof Wolfgang Huber mit ausdrücklichem Bezug auf Altenberg genannt hat: die "geregelte Lebensgemeinschaft" der Konfessionen.

Als die Grafen von Berg 1133 Zisterzienser aus dem französischen Morimond baten, sich in ihrem Herrschaftsgebiet anzusiedeln, taten sie das mit gutem Grund: Der 1098 gegründete Zisterzienserorden gehörte zu den einflussreichsten und auch wirtschaftlich produktivsten Orden des Mittelalters. Sein Markenzeichen war die architektonische Bescheidenheit, mit der er sich vom baulichen Pomp vieler Benediktinerklöster abzusetzen versuchte. Daher haben zisterziensische Klosterkirchen, die in der Regel in einem Tal liegen, statt der Türme meist nur sogenannte Dachreiter, wie es auch beim Altenberger Dom der Fall ist. Dass sich strenge Ideale im Laufe von 140 Jahren Bauzeit allerdings auch abschwächen können, lehrt das Beispiel Altenbergs ebenfalls: So wurden die Glasfenster der Kirche nach und nach immer aufwendiger gestaltet. Das zuletzt eingesetzte riesige Westfenster zeigt auf rund 144 Quadratmetern auch figürliche Motive, obwohl dies eigentlich den Ordensregeln widersprach.
Stand der Angaben: Magazin der NRW-Stiftung 1/2009
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